...Dieser Befund ist von großer Bedeutung, weil die Entwicklung der Nebennierenrindenfunktionen offenbar die Schnittstelle ist, in der sich Umwelt und Anlage begegnen. Es ist bekannt, dass Stress während der Schwangerschaft in Form von Nervenbotenstoffen und reduzierter Sauerstoffversorgung auf den Fetus übertragen wird. Analog zur Ausbildung der Regelkreise der Sexualhormonsynthese wird in der Mitte der Schwangerschaft beginnend die Regelung des Stresshormons Cortisol geprägt, wie beschrieben aus Hormonen des Hypothalamus, der Hirnanhangsdrüse und der Nebennierenrinden bestehend... ...Länger andauernder und starker Stress während der Schwangerschaft könnte also eine der ursächlichen Bedingungen der Entstehung von Homosexualität auch beim Menschen sein. Dörner ging davon aus, dass solche Bedingungen in Deutschland besonders am Ende des zweiten Weltkrieges gegeben waren, und fand tatsächlich, dass in Ostdeutschland während dieser Zeit deutlich mehr homosexuelle Männer geboren wurden als davor und danach. Dannecker und Reiche hatten analoge Ergebnisse für Westdeutschland erhalten...

... Als Konsequenz der Ergebnisse der Zusammenarbeit des Instituts und der Zentralstelle für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten resultierte das Konzept einer Diabetesvorbeugung durch Verhinderung von Diabetes und gestörter Blutzuckerverwertung bei Schwangeren. Anfangs wurden nur in Berlin und später in ganz Ostdeutschland Glukosetoleranztests bei Frauen mit einer risikobelasteten Schwangerschaft durchgeführt und Schwangere mit auffälligen Werten einer Therapie zur Normalisierung ihrer Blutzuckerverwertung zugeführt. Nach zehn Jahren wurde festgestellt, dass die Rate der Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes auf ein Drittel gesunken war. Damit war weltweit zum ersten Mal die Möglichkeit einer schon während der Schwangerschaft durchführbaren Vorbeugung gegen eine lebenslange, schwere und nur behandel-, jedoch bisher nicht heilbare Krankheit aufgezeigt worden...

... Schon Anfang der 1970er Jahre hatte Dörner erkannt, dass die Prägung von Gehirnfunktionen wie bisher beschrieben nicht allein durch klassische Hormone erfolgt, sondern wesentliche Funktionen unter der Kontrolle von Neurotransmitter genannten Nervenbotenstoffen geprägt werden. Seine grundsätzliche Annahme war, dass es keine klare Trennung zwischen Hormonen und Neurotransmittern gibt, weshalb er die Neurotransmitter als Lokalhormone des Nervensystems definierte, denen wie den klassischen Hormonen sowohl eine kurzzeitige, Signal übertragende als auch eine langzeitige, prägende und differenzierende Wirkung zugeschrieben werden muss...

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