Gunilla hatte von ihrem einfachen Raum im Turm ins Gästegemach umziehen müssen, das für königliche Verwandte vorgesehen war.
Dort fühlte sie sich einsam in dem großen Himmelbett mit Vorhängen aus roter Seide mit Zwischenfutter aus Wolle gegen Kühle und Zug. Sie vermisste die Nähe von Brita Hand und Felissa Nilsdotter und all die vertraulichen Gespräche am späten Abend. Niemals würde die Zeit zurückkommen, wo sie eine von ihnen war und mit ihnen Vertraulichkeiten und Geheimnisse teilen konnte. Sie hatte bemerkt, dass diese sie bereits mit einer gewissen Würde behandelten. Es gehörte zu den Spielregeln, sie als Herrscherin zu betrachten, nicht länger als Gleiche.
Helena war gegangen, ohne zu sagen, wie sie das Treffen am Abend, das für sie alle schicksalsschwer sein könnte, zu regeln gedachte. Sie hatte nicht einmal gesagt, ob sie helfen wollte. Sie war einfach gegangen.
Gunilla ging in ihrem Gemach auf und ab. Zum Fenster, wo sie nichts sah. Es war spät und dunkel. Stand jemand da unten und spähte zu ihrem Fenster? Sie schloss die Luken von der Innenseite und legte die Haken vor, als ob sie einen Einbruch befürchtete. Sie kehrte um und ging zum Bett, fühlte über die Kissen und strich übers Laken. Dünne Leinenlaken mit Jagellonicas großem, gekröntem Monogramm. Gunilla legte die Hand darüber. Weshalb war gerade mit dem Laken der Königin aufgebettet worden? Das weckte so viele Erinnerungen und Gedanken. Gunilla hatte so oft Leinen vom Vorrat der Altfrau in die Bettkammer der Königin getragen. Sie hatte das gut genähte Monogramm bewundert und Jagellonicas Hand darüber streichen sehen. Weshalb sollte es gerade an dem Abend in die Augen stechen, an dem sie sich entschlossen hatte, ihre Sehnsucht zu stillen und allen guten Sitten zu trotzen, allen Regeln, allen Drohungen mit Schande und Rache, um eine einzige Nacht in den Armen ihres Geliebten zu liegen, der einzigen in ihrem Leben. Ihn zu lieben in Not und Freude hatte sie vor Gott und der Königin in der Kapelle von Drottningholm gelobt.
Sie glaubte einen Laut gehört zu haben, sie lauschte, konnte aber nur den Schlag ihres Herzens hören. Die Nacht war weit fortgeschritten. War dort jemand im Burggarten, der kontrollierte, wann es in Jungfrau Gunillas Fenster dunkel wurde? Sie blies ein Licht nach dem anderen aus und legte mehr Holz in den Kamin. Das war nicht nötig, da lag bereits der große Kloben, der das Feuer bis zum Morgengrauen lebendig halten würde.
Wie dumm war sie gewesen? Wie konnte sie glauben, dass es Helena gelingen würde, Lilliesparre zu überreden? Denn natürlich erforderte es Überredung, ungesehen durch die Gänge und über die Treppen zu schleichen wie ein Dieb in der Nacht. Sie wusste, dass er kein Unglück über die Frau bringen wollte, die er so sehr liebte.
Sie knotete das Band auf, das den Röhrenkragen zusammenhielt, und warf ihn auf den Tisch. Sie drehte und wendete den Kopf, beugte ihn vor und zurück. Man saß wie in einem Schraubstock in dem harten, gestärkten Kragen. Es war eine Befreiung, wenn der Abend kam und man ihn ablegen konnte. Sie hob den mit Perlen bordierten Samthut ab und löste die Flechten, hob die schwere Goldkette über den Kopf und begann das Leibchen aufzuhaken. Sie zog es aus und ließ den Rock auf den Boden gleiten.
Dann nahm sie den beinernen Kamm und setzte sich auf den weißen Schafsfellteppich, der den Fußboden bis zum Kaminstein bedeckte. Sie kämmte die Haare durch, schlafwandlerisch mit dem Blick auf die tanzenden Flammen gerichtet und begann sich zur Nacht zu flechten. Das pflegte immer Helena zu tun, aber wo befand sie sich und wo war das Nachthaarband?
Gunilla fand es nicht in Schrank und Truhe. Aber das Band lag natürlich in der Nachtkiste. Sie drehte den Schlüssel mehrmals herum und hörte nicht, dass die Tür aufging. Als sie sich umwandte, stand Lilliesparre im Zimmer und hielt einen Finger über den Mund. Sie warf sich an ihn. Sein kurzer Wurfmantel fiel zu Boden.
Sie dachte nicht daran, dass sie barfuß stand und im Unterrock. Sie dachte nicht daran, dass die Schultern nackt waren, bis sie seinen Mund an ihrem Hals spürte. Sie umfasste seinen Kopf und drückte ihn an sich, streichelte ihm über das Haar. Er war hier, er schien keine Bedenken zu haben. Er wollte bei ihr bleiben, sie würde ihn nicht gehen lassen.
Er drückte sie auf das Bett herunter, aber nach einigen Minuten erhob er sich heftig:
"Ich muss gehen."
"Du darfst nicht." Sie zog ihn zu sich herunter.
"Lass mich Gunilla, geliebte Gunilla, lass mich. Bitte mich nicht, versuche mich nicht, das darf nicht geschehen."
"Wie kannst du mich jetzt verlassen? Wie kannst du das? Ich bitte dich zu bleiben. Ich habe ein Recht auf dich. Wir sind vor unserem Herrn einander anvertraut."
"Du gehörst einem anderen. Der König kann sich nicht nur an mich rächen. Auch dir kann er Böses tun."
"Er braucht nicht zu wissen, dass du ein einziges Mal in meinem Zimmer warst, nur um Abschied zu nehmen, einen Abschied fürs Leben. Lass mich in deinem Arm schlafen. Lass mich neben dir schlafen, ein erstes, ein letztes Mal. Lass mich dein sein, jetzt und für alle Ewigkeit. Willst du nicht? Es ist erniedrigend, dich nicht zurückhalten zu können. Beten und bewegen zu müssen, zeigen zu müssen, was ich fühle, während du dich aus meiner Umarmung reißt. So, als ob du kalt wärst, als ob du nichts mehr für mich fühlst."
Sie war verzweifelt, sie schleuderte Worte und Anklagen heraus. Er sah ihr Verzweifeln und alles, was er sich vorgenommen hatte, schmolz dahin wie Schnee in der Frühlingssonne.
Dieses kleine Mädchen, das ihn so fest um den Nacken umschlungen hielt, war nahe daran, die Besinnung zu verlieren. Und sie gedachte er zu verlassen, wo sie um Hilfe rief. Er erinnerte sich deutlich, als er sie zum ersten Mal sah, als er ihre Tränen weggeküsst hatte und versuchte, sie in ihrer Trauer über die Großmutter zu trösten. Keine Tränen dieses Mal, nur ein Verzweifeln, das tief in die Seele schnitt.
Er würde eine Weile bleiben, nur eine kleine Weile, bis sie sich beruhigt hatte und in seinem Arm eingeschlafen war.

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